Tag 9 – Grenzübertritt in den Iran und weiter nach Täbris

Der Tag beginnt früh, vor uns liegt die Einreise in den Iran und die soll recht zeitaufwändig sein. Schon vor halb sieben ist Carsten aus den Federn, an allzuviel Schlaf war nicht zu denken. Die schwülwarme Luft in unserem sechs Quadratmeter großen Domizil ließ sich auch durch ein weit geöffnetes Fenster nicht vertreiben. Zum Glück half der Konsum der letzten Rotwein-Reserven beim Einschlafen.
Die Morgentoilette erfolgt im kleinen Gemeinschaftsbad und in der recht ordentlichen Dusche, die im Waschhaus auf der anderen Seite des Hofes versteckt ist. Carsten, als erster unter der Brause, findet den Lichstschalter nicht. Gut für die Herbergsmutter, die hilfsbereit aus dem Nichst erscheint und für Erleuchtung sorgt. Ich denke, dass die alte Dame deshalb erscheint, weil sie den schwach bekleideten Europäer gern einer optischen Prüfung unterziehen will.
Ohne Frühstück geht es dann gegen halb acht mit knurrendem Magen gen Grenze. Die Ausreise aus Armenien funktioniert schnell und reibungsfrei. Erstaunlich ist, dass wir scheinbar von russischen Grenzbeamten kontrolliert werden – hier im Süden von Armenien. Der letzte Soldat vor der Grenze hält Cord noch einmal an. Es dauert ein wenig, weil der Russe sich kaum auf den Beinen halten kann. Ungefähr so, wie Hans Jürgen in Rumänien. 😀

Kurz vor der Reise hatten wir unsere Streckenpläne noch einmal umgeworfen. Statt über Aserbaidschan reisen wir nun über Armenien ein. Das liegt daran, das hier auf der anderen Seite ein Agent von Hussein auf uns wartet. Über ihn sollen wir an die notwendigen Reisepapiere für unsere Autos kommen. ‚Carnet de Passage‘ nennt sich das nämliche Papier, das wir benötigen. Das ist eine Art Kautionshinterlegung, die sicherstellen soll, dass wir unsere Autos auf jeden Fall auch wieder ausführen.
Diese Papiere sind grundsätzlich auch beim ADAC in Deutschland zu erhalten. Ist nur teurer. Und es ist ‚much more rally-like‘, den Prozess hier mit Husseins Agent zu machen, den wir nicht kennen und der kein Englisch spricht.
Wir treffen zunächst auf einen ausgesprochen freundlichen iranischen Grenzer, der uns in seinem schönen Land Willkommen heißt. Nachdem wir in einer hinterliegenden Halle einen ersten Stempel in Pass und Visum bekommen haben können wir den ersten Schlagbaum passieren und zur Zolldeklaration vorfahren. Es ist unklar, was nun als nächstes passieren soll – also warten wir vor dem leeren Büro.
Es dauert eine Weile, bis eine der Gestalten, die gelangweilt hinter dem staubigen Gebäude scheinbar ziellos umherschlendern, uns anspricht. ‚Wie lange seid ihr hier‘, ‚woher kommt ihr‘, ‚was macht ihr‘ fragt der junge Mann in umständlichem Englisch. Scheinbar habe ich die richgtigen Codeworte verwendet, denn er bedeutet mir, dass er uns den Agenten von Hussein herbeiholen würde. Wir dürften aber auf keinen Fall jemand anderem unsere Papiere geben. Ganz wichtig!
Ohne hier alle Einzelheiten zu erläutern beginnt nun eine fünfstündige Prozedur, die im Wesentlichen aus Warten besteht. Wir werden vom nun erscheinenden Agenten an einen anderen ‚wichtigen‘ Menschen weitergereicht. Der wiederum übergibt uns später einem wichtig aussehenden Versicherungsvertreter. Papiere werden geholt, ausgefüllt, weggebracht, wieder hergetragen und in Schubladen abgelegt. Dann wieder schier unendliches Warten. Der junge Kontaktmann betritt zwischendurch auch wieder, wie alle hier mit dem Handy am Ohr, die Bühne. Er verrät mir erstaunlicherweise den WLAN-Code und ich kann mich beschäftigen. Carsten bringt zwischendurch Kaffee, Josch kauft kandierte Feigen und schokogefüllte Teighörnchen. Ich finde Mettbrötchen wären jetzt schön.
Der letzte Schritt ist dann die Übergabe der schon vorher verabredeten Gebühr an den Agenten von Hussein. Hinten auf dem Parkplatz im Auto. Ohne Quittung versteht sich. Es beginnt ein Feilschen und Handeln, denn wir wollen nicht die volle Summe, die schmerzhaft genug hoch ist, in Dollar zahlen. Lieber ein Teil in iranischem Geld, das wir vorher bündelweise getauscht haben. Bei dem Hin- und Hergetausche sind wir dann doch irgendwo ein wenig abgezockt worden. Jedenfalls fühlt sich das beim Nachzählen der Urlaubskasse so an.

Gegen 13:00 Uhr ist es dann tatsächlich geschafft, wir bekommen je zwei Dokumente ausgehändigt – und dürfen die Grenze passieren.
Was für ein grandioses Hochgefühl, von dem wir vier gleichermaßen erfasst werden: Tatsächlich Iran! Der erste wirklich dicke Meilenstein der Reise ist erreicht. Mir kommt mein erster Grenzübertritt nach Ostberlin in den Sinn: ‚You are leaving the ‚American Sector‘ – so ähnlich fühlt sich das jetzt an. Nur das die Grenze und die Grenzer hier nicht so furchtbar grimmig ausschauen.
Wir fahren direkt weiter, gelbe Strasse in die vor uns liegende, unwirtlich ausschauende Bergwelt hinein. Das Trinkwasser im Auto hat Betriebstemeratur erreicht, es ist mittlerweile richtig heiß geworden. Ätsch, blödes Tiefdruckgebiet.
Die nächsten zweieinhalb Stunden werden wir für die Warterei an der Grenze mehr als belohnt. Unsere Strecke führt durch eine atemberaubend schöne, zum Teil schroffe, zum Teil weit auslandende Gebirgslandschaft. Weil die Tanknadel auf Reserve zappelt suchen wir über die heruntergeladenen Karte von GoogleMaps eine Treibstoffstation. Volltanken für 12e, das Autofahrerherz schlägt Purzelbaum. Hinter der nächsten Bergkuppe wird das Land fruchtbarer. Hier oben, auf den bis zu 2.500m hoch liegenden, serpentinenschwangeren Passhöhen, prägen Ziegenherden das Bild. Etwas weiter unten beginnt der Ackerbau, wir sehen die ersten frisch abgeernteten Getreidefelder in der flirrenden Hitze des Nachmittags. Mit der grandiosen Landschaft im Hintergrund kommen die nächsten prächtigen Fotos der Autos in den Serpentinen zustande. Ich sehe mich schon die Fototapete bestellen.

Weiter Richtung Täbris muß eine Pause her – heute gab es noch nichts zu Essen. In einer kleinen Bodega, ‚Traktor Club‘ mit Namen, kommen wir auf einem erhöhten Podest zur Ruhe. Barfuß im Schneidersitz – wir machen es den wenigen anwesenden Einheimischn nach. Wir starten mit einer obligatorischen Chai und bestellen mit Händen und Füßen Omlett. Mehr gibt die Karte heute nicht her, erklärt uns der junge Schankwirt auf Farsi. Als dann Omlett mit Brot und Gurken serviert wird, sind wir angenehm überrascht. Es schmeckt wieder einmal vorzüglich und ist unfassbar günstig.

Der Plan für den Rest des Tages: Noch ein ordentliches Stück Strecke Richtung Teheran machen, das auf drei Tage begrenzte Visum für Turkmenistan setzt uns zeitlich unter Druck. Wir kommen auf die Autobahn und erleben die nächste Überraschung. Der Kassierer an der Mautstation fragt wo wir herkommen – und winkt uns dann ohne Bezahlung durch. Und nicht nur das passiert uns mehrfach. Wo wir auftauchen begegnen uns die Menschen aufgeschlossen und unglaublich freundlich, ja geradezu zuvorkommend. Iran und Team Südheide – der erste Funke der Verliebtheit ist schon übergesprungen.

Wir fahren bis knapp Mitternacht weiter, bis in die Nähe der Stadt Takestan. Dort suchen wir in den staubigen Nebenstrassen Qartier. Heute steht ‚Platte machen‘ auf dem Programm: Unweit von ein drei einheimischen Jugendlichen, die direkt an der Strasse zelten, schlagen wir unser Nachtlager auf einem Stoppelfeld auf. Die Wurfzelte stehen kaum, als uns schon die ersten Schaulustigen umringen. Nicht nur die Jungs von nebenan, sondern auch Modepfahrer, die hier nachts noch auf den Feldwegen unterwegs sind. Wir bekommen Weintrauben geschenkt und müssen schon fast unfreundlich werden, damit wir in die Penntüten kommen.
Carsten hat Schnupfen und Kratzen im Hals, so dass der Apotheker (Christoph) noch ein paar Mittelchen an ihm ausprobiert.
Irgendwann vor 01:00 Uhr ist dann ‚Licht aus‘ unter einem sternenklaren Himmelszelt

Bonnie&Clyde: …haben noch nie so günstig getankt
Stimmung im Team: Euphorie – der Länderpunkt für Iran ist da
Kilometer: 580
Wetter: Sonnig, schön warm, dann sternenklar

Eine Antwort auf „Tag 9 – Grenzübertritt in den Iran und weiter nach Täbris“

  1. Herzliche Grüße an die Heide Teams aus old Germany. Sitze gerade gemütlich auf dem Sofa und lese Eure Blogbeiträge und fühle wieder Reisedienst und Fernweh. Man was kann man da nur machen … Und die Welt es sooo viel besser als die täglichen news es berichten. Trefft ihr in Teheran auch Leila von unserem Handelspartner Tawan Rasan? Genießt die Menschen im Iran. Ich drücke Euch alle Daumen und werde Euch weiter verfolgen

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