Tag 6 – Höllenritt von Ünye nach Tiflis

Heute wird es taff – stellt sich hinterher heraus. Stefan ist schon früh aus den Federn. Strandspeziergang und ein kurzes Bad im recht warmen Schwarzen Meer. Leider ist der Strand hier sehr vermüllt; es ist gut zu erkennen, dass die Welt auch hier ein echtes Plastik-Problem hat. Und da wundert sich unser Herbergsvater, erstaunlicherweise Deutschlehrer von Beruf, dass der Touristenstrm versiegt. Vor dem Frühstück fällt mir auf, dass mein Kulturbeutel in Istanbul verblieben ist. Ok, die Sache mit dem Rasieren hat sich damit vorerst erledigt (sorry, Andrea 🙂 ).
Nach dem Frühstück erfolgt die obligatorische Wolke – Wasser, Öl, Luft, Kühlwasser, Elekrik prüfen. Bonnie und Clyde haben Öldurst, ansonsten geht es beiden prächtig.
Die Strecke an der Küste entlang führt durch schier endlose Haselnuss-Plantagen. An Trabzon vorbei geht es dann mit Warp 2 Richtung Grenze. Geschwindigkeitsbegrenzungen werden hier mehr als lose Empfehlungen interpretiert. Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer multipliziert diese Empfehlung in der Regel mit zwei. Die in größerer Zahl am Strassenrand postierten Peterwagen-Besatzungen kratzt das wenig. Lustig sind auch die aus Pappmache gefertigten Polizeiwagen-Attrappen am Strassenrand. Anders als am Tag zuvor sehen wir allerdings keine Verkehrsunfälle. Tags zuvor passierten wir in kurzer Zeit mehrere zum Teil schwere Unfälle.
Kurz nach Mittag stehen wir dann schon vor der türkisch-georgischen Grenze. Ein mehrere Kilometer langer LKW-Stau läßt uns Schlimmes befürchten. Doch wir kommen rasch daran vorbei und glücklicherweise ist die PKW-Schlange nur zwei Duzend Fahrzeuge lang. Trotzdem dauert die Abfertigung, die am Ende problemlos erfolgt, doch knappe zwei Stunden. Carsten und Stefan müssen als Beifahrer zu Fuss über die Grenze. In der Autoschlange werden wir gleich von mehreren Deutsch-sprechenden Türken und Georgiern angesprochen. Unser Slogan ‚Friedens- und Freundschafts-Rally‘, den wir in mehreren Sprachen an der Autoscheibe kleben haben, verfängt auch hier wieder.
Witzig ist auch der Grenzbeamte, der uns in die Schlange einweist. Er spricht perfekt Deutsch, hat lange in Bremen gelebt und ist Werder-Fan. Ein Stück Heimatgefühl am hinteren Ende des Schwarzen Meeres.
Die ersten Eindrücke von Georgien hinter der Grenze sind eher gruselig. Heruntergekommene Wohnblocks und schlechte Strassen prägen das Bild. Und die Verkehrslage ändert sich schlagartig. Verkehrsregeln gibt es hier scheinbar nicht, es gilt das Recht des Stärkeren. Den meisten Autos sieht man das rowdyhafte Verhalten ihrer Fahrzeugführer schon von weitem an. Selbst Fußgänger und freilaufende Kühe legen eine todesmutige Kompromisslosigkeit an den Tag.
Die unvermeidliche Gewitterzelle zwingt uns, den einfacheren Weg nach Tiflis einzuschlagen. Die von Cord schon einmal befahreren Bergpiste muss heute ohne uns auskommen.
Später zeigt sich, wie vernünftig diese Entscheidung war. In den Bergen, durch die sich die Überlandstrasse schlängelt, geht wieder ein sturzbachartiger Regenguß über uns hinweg. Obwohl es mittlerweile dunkel geworden ist, überholen Autos und LKW mit halsbrecherischen Manövern jene Verkehrsteilnehmer, die in angemessener Geschwindigkeit unterwegs sind. Mehr als einmal wundern wir uns, dass es hier nicht ständig kracht.
Kriegsrat um kurz vor neun: Die Mägen knurren – das Frühstück war die letzte echte Mahlzeit – und Müdigkeit macht sich breit. An Zelten ist nicht zu denken und Hotels sind hier oben auch eher Mangelware. Cord versucht in einem Imbiss nach Übernachtung zu fragen. Mit großen Kulleraugen kommt er zurück: Eine der Damen im Shop trägt stolz ein T-Shirt mit einem großen Konterfei von Adi Schicklgruber. Unfassbar!
Wir beschließen, nun doch bis Tiflis zu fahren. Kurz vor Mitternacht kommen wir in den Vororten der Hauptstadt an. Cord ist zufrieden, das Tagesziel ist erreicht. Trotz fehlender Internet-Verbindung – hier in Georgien tut unser Skyroam seinen gewohnten Dienst nicht – finden wir ein Hotel. Zur Vorbereitung der Nachtruhe gibt es noch drei Becher Wein aus dem mitgeführten Vorrat.
Gegen 01.00 Uhr kehrt Ruhe im viel zu luxeriösen Vierbettzimmer ein. Ich habe Glück: Hier gibt es Zahnbürste, Kamm, Seife und Shampoo – meine neue provisorische Waschtasche ist wieder mit dem Mindesten gefüllt.

Bonnie&Clyde: Bei Regen laufen die beiden prächtig
Stimmung im Team: Platt wie’n Puffer
Kilometer: 810
Wetter: Es ging wieder nicht ohne Regen