Tag 15 – Unterwegs auf der Seidenstrasse

Heute beginnt der nächste Abschnitt unseres Abenteuers: Wir fahren entlang der legendären Seidenstrasse und wollen die sagenhaften Städte aus tausendundeiner Nacht besuchen. Touristenprogramm, sozusagen.

Der Tag startet mit einem leckeren Frühstück bei Oma Rahman, es gibt Kaffee und sogar gebratene Eier. Nachdem wir uns mehrfach umarmend von Oma Rahman und ihrer Familie wortreich verabschiedet haben, verlassen wir Urganch und das umliegende fruchtbare Tal, das sich hier an der turkmenischen Grenze entlang zieht, Richtung Südosten. Die eben noch unzähligen Baumwollfelder sind verschwunden und wir tauchen wieder ein in die trostlose Ödnis der Wüste Karakum. Da große flache Nichts erstreckt sich bis an den Horizont. Als unendliche Gerade verliert sich die neue, aber wenig befahrene Straße weit voraus an der Grenze zwischen Himmel und Erde. Kaum vorstellbar, unter welchen Strapazen die Menschen hier vor Jahrhunderten mit ihren Karawanen entlang gezogen sind. Und wir schaukeln heute in unseren – zugegeben stickigen, staubverseuchten – Autos über eine schier endlose Teerpiste.
Hm, irgenwie haben wir heute morgen vergessen zu tanken. Beide Autos waren zwar noch halb voll, aber hier im Nirgendwo sehen wir weit und breit keine einzige Tankstelle. Und das schon seit über 100 Kilometern. Genau für Strecken wie diese hatten wir eigentlich die zusätzlichen Sprit-Tanks auf den Dachträger geschraubt. Aber blöderweise sind die immer noch gähnend leer. Dummheit muss wohl bestraft werden. Nach weiteren 50 Kilometern meldet Cord via Funk, dass seine Reservelampe nun leuchtet. Schönes Ding. Laut Karte ist der nächste Ort noch 60 Kilometer entfernt – und wer weiß, ob es da überhaupt Sprit gibt. Als der Ort dann am Horizont erscheint, zuckt Clydes Tanknadel schon nicht mal mehr. Eine Tankstelle erscheint, juchei. Doch zu früh gefreut, dort gibt es nur Gas. Dem Leser sei erklärt, dass in Usbekistan die Mehrzahl der Autos mit Gas betrieben werden, das gibt es im Land in großer Menge. Benzin ist in Usbekistan zeitweise gar nicht oder nur in minderer Qualität zu bekommen.
Ein paar Kilometer weiter soll es aber Benzin geben. Und so rollen wir dann tatsächlich mit dem allerallerletzen Tropfen Treibstoff an die Zapfsäule mit dem rettenden Sprit.
Die Schweißperlen auf der Stirn trocknen und weiter geht es, der modernen Auflage der Seidenstrasse folgend. Auch hier gibt es bessere und schlechtere Abschnitte auf der Strasse. Doch Schlaglöcher schocken uns schon lang nicht mehr. Alles unter 10 Liter Fassungsvermögen wird schlicht ignoriert. Man orientiert sich grob am Vordermann. Wenn der nicht zu hoch springt, fährt man einfach weiter.
Und doch unterscheiden sich hier Strasse und Verkehr deutlich von den vorher von uns bereisten Ländern Turkmenistan oder Iran. Zum einen sieht man hier sehr wenig Müll. In den Ortschaften, die wir durchfahren, sieht man Kollonnen von Frauen, die die Strassen mit Reisigbesen sauber halten. Hut ab! Zum anderen gibt es eine Armada von Kleibussen asiatischer Herkunft, die hier den Nahverkehr erledigen. Die Einwohner gehen nicht zu Bushaltestelle – sie stehen einfach irgendwo an der Strasse und winken mit dem Arm. Ähnlich funktioniert das beliebte Reisen ‚per Anhalter‘. Überall stehen Menschen an der Strasse und halten den Zeigefinger nach unten oder winken, um mitgenommen zu werden.
Und ich dachte immer, dass die Menschen UNS Zuwinken… 🙂 Alle paar duzend Kilometer durchfahren wir einen Polizeiposten. Was genau deren Aufgabe ist, erschließt sich uns nicht.

Früh am Nachmittag erreichen wir Buchara, einer der legendären orientalischen Orte an der Krawanenroute. Und tatsächlich ist hier noch der Flair der früheren Blütezeit zu erahnen. Unsere erste Station ist die historische Karawanserei in der von hohen Wehrmauern umgebenen Altstadt. Ich fühle mich sofort an den Film Troja erinnert, als die Griechen vor einer ebenso hohen Mauer in der Wüste standen. Mächtig und schier unüberwindlich muß dieser Koloss auf ankommende Reisende gewirkt haben. Wir besuchen das Museum und sehen die Zeugnisse aus der Blütezeit dieser Stadt. Erstmals seit Istanbul sind hier auch wieder ‚echte‘ Touristen in größerer Zahl zu sehen. ‚Silk Road‘ zieht.
Anschließend sehen wir uns noch die große alte Moschee im Zentrum der Altstadt an; ein wunderschönes Bauwerk mit bunt gefliesten Fassaden, gewölbeartigen Säulengängen und ausladenden, kunstvoll gepflasterten Plätzen. Leider sind hier die wenigsten Erklärungen auf englisch, so dass wir uns die meisten Dinge zusammenreimen müssen. Trotzdem sehr lohnend.
Anschließend ist Pause in einem Restaurant mit Blick auf die Zitadelle, wo wir uns auf Diwanen niederlassen. Es gibt Kebab und Salat und ein erstes kühles Bier – wunderbar. Es ist so gemütlich und der Blick auf die uns umgebenden Menschen so interessant, dass wir lange sitzen bleiben. So lange, dass das Weiterfahren keinen Sinn mehr macht. Lieber noch ein zweieinhalbtes Usbekenbier und eine Unterkunft in der Nähe suchen. Letzteres ist Dank Internet auch an diesem Ort kein Problem mehr. Eine kleine, günstige Herberge mit Vierbettzimmer und Frühstück ist rasch gefunden und bezogen. Danach geht’s nochmal los in die Stadt. Wir sitzen auf einem wunderbaren Platz unter Bäumen und lassen den Tag bei Bier und Gequatsche ausklingen. Toll ist die Livemusik, die uns geboten wird. Ein Jugendlicher spielt in genialer Weise auf einer elektrischen Geige und verzaubert uns mit seinen Klängen an diesem stimmungsvollen Sommerabend.
Um halb zwölf werden alle Bürgersteige hoch geklappt und die Stadt kommt unerwartet plötzlich zur Ruhe. Wir auch – nicht ohne vorher noch ein paar Bilder von der beleuchteten Turm der Moschee zu knipsen.

Bonnie&Clyde: Wenn’s quietscht, dann weiß man, dass das Teil noch da ist – sagt Carsten
Stimmung im Team: Feels like tourist
Kilometer: 430
Wetter: Tagsüber wieder heiß, abends in der Stadt sehr angenehm