Tag 15 – Unterwegs auf der Seidenstrasse

Heute beginnt der nächste Abschnitt unseres Abenteuers: Wir fahren entlang der legendären Seidenstrasse und wollen die sagenhaften Städte aus tausendundeiner Nacht besuchen. Touristenprogramm, sozusagen.

Der Tag startet mit einem leckeren Frühstück bei Oma Rahman, es gibt Kaffee und sogar gebratene Eier. Nachdem wir uns mehrfach umarmend von Oma Rahman und ihrer Familie wortreich verabschiedet haben, verlassen wir Urganch und das umliegende fruchtbare Tal, das sich hier an der turkmenischen Grenze entlang zieht, Richtung Südosten. Die eben noch unzähligen Baumwollfelder sind verschwunden und wir tauchen wieder ein in die trostlose Ödnis der Wüste Karakum. Da große flache Nichts erstreckt sich bis an den Horizont. Als unendliche Gerade verliert sich die neue, aber wenig befahrene Straße weit voraus an der Grenze zwischen Himmel und Erde. Kaum vorstellbar, unter welchen Strapazen die Menschen hier vor Jahrhunderten mit ihren Karawanen entlang gezogen sind. Und wir schaukeln heute in unseren – zugegeben stickigen, staubverseuchten – Autos über eine schier endlose Teerpiste.
Hm, irgenwie haben wir heute morgen vergessen zu tanken. Beide Autos waren zwar noch halb voll, aber hier im Nirgendwo sehen wir weit und breit keine einzige Tankstelle. Und das schon seit über 100 Kilometern. Genau für Strecken wie diese hatten wir eigentlich die zusätzlichen Sprit-Tanks auf den Dachträger geschraubt. Aber blöderweise sind die immer noch gähnend leer. Dummheit muss wohl bestraft werden. Nach weiteren 50 Kilometern meldet Cord via Funk, dass seine Reservelampe nun leuchtet. Schönes Ding. Laut Karte ist der nächste Ort noch 60 Kilometer entfernt – und wer weiß, ob es da überhaupt Sprit gibt. Als der Ort dann am Horizont erscheint, zuckt Clydes Tanknadel schon nicht mal mehr. Eine Tankstelle erscheint, juchei. Doch zu früh gefreut, dort gibt es nur Gas. Dem Leser sei erklärt, dass in Usbekistan die Mehrzahl der Autos mit Gas betrieben werden, das gibt es im Land in großer Menge. Benzin ist in Usbekistan zeitweise gar nicht oder nur in minderer Qualität zu bekommen.
Ein paar Kilometer weiter soll es aber Benzin geben. Und so rollen wir dann tatsächlich mit dem allerallerletzen Tropfen Treibstoff an die Zapfsäule mit dem rettenden Sprit.
Die Schweißperlen auf der Stirn trocknen und weiter geht es, der modernen Auflage der Seidenstrasse folgend. Auch hier gibt es bessere und schlechtere Abschnitte auf der Strasse. Doch Schlaglöcher schocken uns schon lang nicht mehr. Alles unter 10 Liter Fassungsvermögen wird schlicht ignoriert. Man orientiert sich grob am Vordermann. Wenn der nicht zu hoch springt, fährt man einfach weiter.
Und doch unterscheiden sich hier Strasse und Verkehr deutlich von den vorher von uns bereisten Ländern Turkmenistan oder Iran. Zum einen sieht man hier sehr wenig Müll. In den Ortschaften, die wir durchfahren, sieht man Kollonnen von Frauen, die die Strassen mit Reisigbesen sauber halten. Hut ab! Zum anderen gibt es eine Armada von Kleibussen asiatischer Herkunft, die hier den Nahverkehr erledigen. Die Einwohner gehen nicht zu Bushaltestelle – sie stehen einfach irgendwo an der Strasse und winken mit dem Arm. Ähnlich funktioniert das beliebte Reisen ‚per Anhalter‘. Überall stehen Menschen an der Strasse und halten den Zeigefinger nach unten oder winken, um mitgenommen zu werden.
Und ich dachte immer, dass die Menschen UNS Zuwinken… 🙂 Alle paar duzend Kilometer durchfahren wir einen Polizeiposten. Was genau deren Aufgabe ist, erschließt sich uns nicht.

Früh am Nachmittag erreichen wir Buchara, einer der legendären orientalischen Orte an der Krawanenroute. Und tatsächlich ist hier noch der Flair der früheren Blütezeit zu erahnen. Unsere erste Station ist die historische Karawanserei in der von hohen Wehrmauern umgebenen Altstadt. Ich fühle mich sofort an den Film Troja erinnert, als die Griechen vor einer ebenso hohen Mauer in der Wüste standen. Mächtig und schier unüberwindlich muß dieser Koloss auf ankommende Reisende gewirkt haben. Wir besuchen das Museum und sehen die Zeugnisse aus der Blütezeit dieser Stadt. Erstmals seit Istanbul sind hier auch wieder ‚echte‘ Touristen in größerer Zahl zu sehen. ‚Silk Road‘ zieht.
Anschließend sehen wir uns noch die große alte Moschee im Zentrum der Altstadt an; ein wunderschönes Bauwerk mit bunt gefliesten Fassaden, gewölbeartigen Säulengängen und ausladenden, kunstvoll gepflasterten Plätzen. Leider sind hier die wenigsten Erklärungen auf englisch, so dass wir uns die meisten Dinge zusammenreimen müssen. Trotzdem sehr lohnend.
Anschließend ist Pause in einem Restaurant mit Blick auf die Zitadelle, wo wir uns auf Diwanen niederlassen. Es gibt Kebab und Salat und ein erstes kühles Bier – wunderbar. Es ist so gemütlich und der Blick auf die uns umgebenden Menschen so interessant, dass wir lange sitzen bleiben. So lange, dass das Weiterfahren keinen Sinn mehr macht. Lieber noch ein zweieinhalbtes Usbekenbier und eine Unterkunft in der Nähe suchen. Letzteres ist Dank Internet auch an diesem Ort kein Problem mehr. Eine kleine, günstige Herberge mit Vierbettzimmer und Frühstück ist rasch gefunden und bezogen. Danach geht’s nochmal los in die Stadt. Wir sitzen auf einem wunderbaren Platz unter Bäumen und lassen den Tag bei Bier und Gequatsche ausklingen. Toll ist die Livemusik, die uns geboten wird. Ein Jugendlicher spielt in genialer Weise auf einer elektrischen Geige und verzaubert uns mit seinen Klängen an diesem stimmungsvollen Sommerabend.
Um halb zwölf werden alle Bürgersteige hoch geklappt und die Stadt kommt unerwartet plötzlich zur Ruhe. Wir auch – nicht ohne vorher noch ein paar Bilder von der beleuchteten Turm der Moschee zu knipsen.

Bonnie&Clyde: Wenn’s quietscht, dann weiß man, dass das Teil noch da ist – sagt Carsten
Stimmung im Team: Feels like tourist
Kilometer: 430
Wetter: Tagsüber wieder heiß, abends in der Stadt sehr angenehm

Tag 14 – Von Nukus zum Aralsee und zurück

Die Nacht ist wie immer früh zu Ende. Die Mannschaft hat mehr oder weniger viel Schlaf bekommen. Cord und Josch sind durchaus noch nicht auf Ballhöhe, gegen den Druck im Kopf wird kalt geduscht und das ‚Vitaminpräparat‘ Aspirin gereicht.
Im Frühstückssaal treffen wir die usbekischen Soldaten, bei denen die exzessive Feier, deren Ende erst wenige Stunden zurück liegt, erstaunlicherweise keine sichtbaren Spuren hinterlassen hat. Zum Frühstück gibt es Kaffee, Brot und Käse und endlich mal ein gebratenes Ei.
Das Auschecken aus dem Hotel wird nochmal zum Problem. Nur Visa oder Landeswährung werden akeptiert., wir haben Mastercard und Dollar und ein zwar dickes, aber nicht ausreichendes Bündel usbekischer Sum. Na prima. Also los, Geld tauschen in der Bank. Das geht zwar erstaunlich schnell, für den ausgehändigten Geldstapel benötigt man aber eine mittelgroße Tragetasche. Was für Papiermengen!
Nachdem wir dem jungen Hotelier die 568.000 Sum auf den Tresen gezählt haben, geht es los Richtung Aralsee. Zweieinhalb Stunden nordwestlich von Nukus entfernt liegt der Ort Moynak, der Zeugnis einer der größten ökologischen Katastrophen unserer Zeit ist. Noch vor 30 Jahren war der Aralsee mit der Größe Bayerns einer der größten Seen der Welt. Heute ist nurmehr eine größere, mehr oder weniger versalzene Pfütze davon übrig geblieben. Echt gruselig. Und in Moynak, einem ehemals blühende Ort, der von Fischfang und -verarbeitung lebte, liegen rostende Schiffswracks mahnend im Sand der versteppten Ödnis. Grund für diese irreparablen Ökokatastrophe ist der intensive Anbau von Baumwolle in Usbekistan, der die Zuflüsse des Sees trockenlegt. Die Herstellung eines T-Shirts verbraucht laut Wikipedia 2.000 Liter Wasser! Und wir kaufen verdammt viele T-Shirts, ohne die dahinter liegende Wirkungskette auch nur zu erahnen. Das weitere Problem hier ist die Versalzung, durch die die Ackerflächen nach einer überschaubaren Anzahl Ernteperioden unfruchtbar werden.
Von einem Aussichtspunkt, von dem aus man früher weit über den See blicken konnte, schaut man heute in eine bis zum Horizont reichende versandete Steppe.
Sprachlos verlassen wir diesen trostlosen Ort. Auf dem Weg halten wir an einer Bäckerei und kaufen Brot bei einem Bäcker, der vor unseren Augen die Teigwaren kunstvoll herstellt. In einem Lehmofen klatscht er die frisch hergestellten Backlinge von innen an die von einem Holzfeuer erhitze Ofenwand. Die Backlinge tragen einen Stempel von der Größe eines Handtellers und bezeugen damit die Kunst des alten Bäckermeisters. So lecker schmeckt die noch warme Backware nicht einmal zu Haus.

Auf dem gleichen Weg wie morgens fahren wir die knapp 200 Kilometer zurück Richtung Nukus. Christoph fährt voran und wir brauchen nicht einmal zwei Stunden bis zu unserem Ausgangsort, von dem aus wir am Morgen gestartet sind.
Doch die Geschwindigkeit hat ihren Preis. Auf einer Brücke werden wir geblitzt. Glück gehabt, die
Kontrolettis halten den Wagen nach uns an. Dieses Glück hält jedoch nur 8 Kilometer, denn an der nächsten Polizeikontrolle werden wir von grinsenden Polizisten aus dem Strom der Fahrzeuge gewunken. Ich werde aus dem Auto gewunken und mir wird Wortreich mein Vergehen erläutert. ‚Ja nesnaju russky yasik‘ – ich verstehe kein Russisch: Carsten hat mir beigebracht, dass man sich erstmal dumm stellen muss. Nützt aber nix, ich muss mit einem der Beamten zurück zu der Stelle fahren, wo wir geblitzt wurden. Die Fahrt dorthin ist eine reine Gaudi. Der Polizist findet es toll, in einem Rally-Fahrzeug zu sitzen und animiert mich, schneller zu fahren. So rauschen wir mit 100km/h durch die Vorstadt – Fenster runter und Musik laut. Er möchte gern gesehen werden und winkt seinen Freunden und Bekannten johlend zu. Ich bin total perplex. Für unser Vergehen – sie haben beide Autos tasächlich mit 70km/h statt der vorgeschriebenen 50km/h geblitzt – sollen wir 100$ pro Auto bezahlen. Nach einigem Verhandeln, dass unter Lachen und Feixen stattfindet, einigen wir uns auf 25$ insgesamt. Nach einer herzlichen Umarmung und Wünschen für eine sichere Weiterreise dürfen wir wieder los. Leider darf ich die Jungs nicht mit dem Bilderrahmen fotografieren. Diese Erinnerung muß ohne Bild im Kopf bleiben.
Als Fazit: Das war nach knapp 8.500 km die erste ernsthafte Auseinandersetzung mit der Polizei – und die war auch noch freundlich. Nix da mit Abzocke und Schmiererei; ich hatte das ehrlich gesagt anders erwartet.
Wir haben durch dieses Erlebnis leider eineinhalb Stunden verloren und können das Tagesziel, Buchara, leider nicht mehr erreichen. Nach weiteren zwei Stunden Fahrt durch eine wirklich eintönige Wüste wird es langsam stockdunkel. Wir fahren die schlaglochgespickte Piste zwar weiter, doch die Fahrerei wird langsam anstrengend und gefährlich. Nicht nur die Schlaglöcher bedrohen unsere Sicherheit, es gibt auch jede Menge schlecht- oder nicht-beleuchteter Verkehrsteilnehmer, die hier im Dunkeln noch todesmutig unterwegs sind.
Schweren Herzens brechen wir die Fahrt ab und suchen uns im nahegelegenen Urganch Quartier. Und wie es so ist, wenn man unterwegs ist: Durch Zufall finden wir eine geniale Unterkunft. Frau Rahman bietet privat ein Vierbettzimmer an, mit Frühstück, Dusche und Parkplatz für schmales Geld.
Als wir ankommen, kocht Oma Rahman auch noch ein Abendessen für uns. Cooler geht es nicht. Später kommen noch Sohn, Schwiegertochter und Enkel, um uns zu begutachten. So oft verirrt sich hierher kein Europäer. Carsten und Josch haben noch kühles Bier geholt. Und so geht der Abend bei lustigen Gesprächen gegen Mitternacht zu Ende. Wow, es gibt richtig gute Matratzen, die auf dem teppichbelegten Boden liegen. Wunderbar.

Bonnie&Clyde: Bonnie quietscht immer noch – ich bin skeptisch
Stimmung im Team: nachdenklich am Aralsee, dankbar bei Frau Rahman
Kilometer: 566
Wetter: stabil sonnig und ordentlich warm

Tag 13 – Von Derweze bis Nukus

Die Nacht ist wieder früh vorbei, denn wir wollen den Sonnenaufgang in der Wüste erleben.
Gegen halb sieben sind wir schon aus den Federn. Michael und Stefan Bischoff, die ‚brothers on tour‘ aus der Schweiz, haben die Nacht in ihrem VW Caddy neben unseren Zelten verbracht.
Gemeinsam genießen wir in der aufgehenden Sonne das Frühstück. Wir unsere EPA-Pakete aus Bundeswehrbeständen, sie ihr schweizer Rösti aus der Pfanne. Wir löslichen Kaffee von Jacobs, sie Espresso frisch aus dem italienischen Kocher. Nunja.
Als wir gemeinsam losfahren, sitzen die Schweizer nach hundert Metern im tiefen Sand fest. Das sah fast wie Absicht aus. Der Abschlepp-Versuch mit Clyde schägt fehlt, zu tief sitzt der Caddy im Sand vergraben. Zum Glück sind ein paar Einheimische mit einem alten Laster am Start und ziehen die Karre aus dem Staub. Auch später am Tag brauchen die Schweizer Kollegen noch zwei-, dreimal Hilfe. Ihre Batterie ist mausetot.
Jetzt aber Beeilung, wir müssen auf jeden Fall heute noch aus dem Land. Umser Transitvisum git nur noch heute. Doch die ersten 150 Kilometer der Piste enach Norden, nach Usbekistan sind viel besser als erwartet. Entlang des Weges in der menschenleeren, kargen Wüste Karakum sehen wir ab und an eine kleine Herde Dromedare – sonst nichts. Zum Ende wird die Strasse anspruchsvoller. Obwohl wir uns wieder der Zivilisation nähern und längs des Weges die ersten Ziegenherden und Felder auftauchen, ist der Zustand der Strassen hier katastrophal. Schlaglöcher in jeder nur erdenklichen Breite und
Tiefe, dazu Spurrillen, die wie ein in Teer gegossener Kartoffelacker daher kommen. Phasenweise wechseln sich Teer-, Schotter- und Sandpisten im Hundertmetertakt ab. Trotzdem erreichen wir die usbekische Grenze ein paar Stunden früher als geplant. Endlich einmal nicht spät dran auf dieser Reise. Die Ausreise aus Turkmenistan geht erfreulich viel schneller als die Einreise. Das Personal ist freundlich, die Prozedur kurz. Auch hier bei der Ausreise werden wieder Fingerabdrücke genommen und das Gepäck kontrolliert. Nur viel freundlicher.
Auf der usbekischen Seite geht es erstmal nicht voran, es ist Mittagspause. Außer uns, wir sind die einzigen Autos, sind nur ein paar Grenzgänger zu Fuß unterwegs. Nachdem sich die Grenze geöffnet hat geht es trotz nicht gleich weiter. Der Grenzer, der unsere Pässe kontrollieren soll, hält Mittagsschlaf in seiner Kontrollbutze. Erst durch vorsichtiges Klopfen einer Einheimhischen schreckt er aus seinen wohl wohlverdienten Träumen.
Am Ende geht es auch hier relativ fix. Nachdem nun zum x-ten Male unsere Fahrzeugpapiere geprüft, un die Reisepässe gestempelt sind, werden wir winkend in’s Land gewunken. Direkt hinter der Grenze noch ein kurzer Stopp – warten bis das andere Fahrzeug auch durch ist. Und wieder staunen wir, als ein zufällig vorbeikommender Usbeke uns mit ein paar Brocken Deutsch anspricht.
In Nukus, der ersten Stadt hinter der Grenze, wollen wir Geld tauschen und etwas Essen. Sollte eigentlich kein Problem sein. Denkste. Die Geldautomaten, die wir finden, geben entweder kein Geld aus, oder nur Dollar. Ok, da haben wir schon mal Dollar. Doch das Restaurant, in das wir dann gehen, nimmt weder Kreditkarte noch Dollar. In der Bank, die wir als nächstes aufsuchen, erklärt man uns beschämt, dass die Banken in Usbekistan nur bis 16.00 Uhr Dollar eintauschen dürfen. Crazy.
Zuletzt gäbe es noch die Möglichkeit, auf dem Baar zu tauschen. Ok, dann eben so.
Der Markt entpuppt sich als ausgewachsener Basar mit allem Pipapo, auf dem wir die fliegenden Geldwechsler auch bald finden. Etwas aufgeregt und angespannt ist die Situation schon, aber dann halten wir ein mehrere Zentimeter dickes Bündel mit Banknoten in der Hand. Damit kaufen wir paar frisch gebrutzelte Leckereien auf dem Markt und beziehen dann unser Hotel, das wir zwischendurch über booking.com festgemacht hatten.
Duschen. DUSCHEN! Boah, tut das gut. In den letzten beiden Tagen fiel die Hygiene eher spärlich aus und der Wüstenstaub sitzt einfach überall. Das Restaurant der Wahl ist direkt nebenan, es soll Fleisch und Pivo geben. Dort treffen wir auch die ubekischen Soldaten wieder, die im selben Hotel wohnen.
Es wird ein denkwürdiger Abend. Deutsch-usbekische Freundschaft, ganz im Sinne der Rally 🙂
Ein junger Hauptmann, der ein paar Sätze deutsch spricht, kommt an den Tisch und hilft uns bei der Bestellung. Fleisch mit Kartoffeln, dazu Salat, Brot und für jeden ein Bier. ‚Schnaps?!‘ ist seine erste suggestive Frage. Also gibt es auch eine Flasche Vodka auf den Tisch, die er sozusagen als Vorspeise mit uns niederringt. Carsten, der zunächst sein Glas zuhält, kommt auch nicht drumherum.
Nachdem Essen sitzt Asram, wir kennen jetzt den Namen unseres neuen Freundes, wieder bei uns und wir fangen an zu erzählen. Seine Mutter sei Deuschleherin, seine Schwester sei Deutschleherin, er stamme aus Romintan bei Buchara und diene beim Militär dortunddort. Graturliere, herzlichen Glückwunsch, Prost. Das und etwas mehr aus seinem deutschen Wortschatz erzählt er uns wieder und wieder und es wird klar, dass der junge Mann schon reichlich vo Vodka genascht haben muss. Und obwohl sich die Konversation scheinbar im Kreise dreht, haben wir bei einem weiteren Bier und noch einem Vodka zusammen eine Menge Spaß.
Oben im Restaurant ist Disco. Wir werfen einen Blick – aber nur wenige Einheimische drehen sich trunken im Kreis. Vor der Tür treffen wir Asram wieder, er telefoniert mit seiner Schwester, der Lehrerin. Wir sollen sie besuchen in der Schule Nummer 19, wenn wir in Buchara vorbeikommen. Mal sehen.
Eigentlich könnte der Abend jetzt zu Ende gehen – könnte. Carsten und Christoph verabschieden sich tatsächlich, Blog schreiben und schlafen. Doch Cord und Josch sind heiß und wollen mit Hauptmann Asram noch in einen Club. Es wird eine heiße Nacht – sie ziehen mit den Soldaten durch mehrere Kneipen und kommen erst spät in der Nacht leicht lädiert aber glücklich zurück.

Bonnie&Clyde: Bonnie quietscht lauter – egal, sagt Carsten
Stimmung im Team: perfekt, später lädiert
Kilometer: 380
Wetter: sonnig und warm

Tag 12 – Auf nach Sowjetistan, von Quchan zur Hölle von Derweze

Heute morgen sind wir auf Diät. Statt eines umfangreichen Frühstückes gibt es nur vier dünne Fladenbrot vom Strassenbäcker für 20ct auf die Hand. Wir brummen die letzten 85 Kilometer Richtung turkmenischer Grenze und sind fürchterlich gespannt, auf das, was bei der Grenzkontrolle passieren mag. Die vorher noch üppige Landschaft wird öde und menschenleer. In den Taschen haben wir immer noch einiges von dem bald 20cm dicken Bündel iranischer Geldscheine, die wir bei der Einreise getauscht hatten. Den daumendicken Stapel wollen wir im Grenzort in Benzin tauschen und unsere Tanks und Kanister füllen. Doch statt einer Tankstelle finden wir einen Ladenbesitzer, dessen Frau uns nacheinander mehrere Plastikkanister mit dem begehrten Treibstoff herbeischleppt. Über einen mit dem Mund angesaugten Schlach läuft das Sprit nach und nach in unsere Tanks. Auch wenn es hier an der Grenze verhältnismäßig teuer ist, sind wir mit den knapp 50ct pro Liter super glücklich.

An der Grenze ist es irgendwie unheimlich. Ein riesiger, neuer, Gebäudekomplex erwartet uns – wir aber sind die einzigen ‚Kunden‘, niemand anders ist hier. Es soll uns wieder ein Agent von Hussein erwarten, doch außer ein paar Arbeitern ist keine Menschenseele zu sehen. Nachdem wir verwinkelte Treppenhäuser erkundet und verschiedene Türen geöffnet haben, finden wir den Agenten in einer menschenleeren Wartehalle. Er nimmt unsere Papiere – und verschwindet erst einmal. Mit der Zeit bekommen wir mit, dass in den verschiedenene Büros doch iranische Beamte sitzen und irgendwie wichtige Dinge erledigen. Nur wozu? Wir sind und bleiben die Einzigen, die hier an diesem Morgen in dieser riesigen, modernen Anlage abgefertigt werden.

Sehr freundlich werden wir dann von jungen iranischen Rekruten verabschiedet und nähern uns der turkmenischen Seite. Um das Visum, das jetzt zum Einsatz kommen soll, haben wir sooo lange gebangt. Schon bei ersten Kontakt mit den Grenzern spürt man, dass etwas anders ist. Zum einen sind die Grenzer deutlich distanzierter und verbissener. Zum anderen unterscheidet sich der Menschenschlag deutlich von den Iraner – viel Asiatischer.
Was nun folgt ist eine unfassbare Prozedur von Befragungen, Untersuchungen, Formblättern, Stempeln und Gebühren. So etwas habe ich noch nicht erlebt und ist schwer in passende Worte zu kleiden. Es war nicht bedrohlich; eher albern – das passt vielleicht am besten. Ein paar Highlights: Wir mussten zum Amtsarzt, der die Fingernägel kontrolliert und mit einem unfassbaren Gerät die Körpertemperatur an der Stirn gemessen hat. Ein junger Grenzbeamter wurde von seinem Vorgesetzten dazu genötigt, einen handschriftlichen Roman über die Tajik Rally zu verfassen. Der Vetererän fragte uns nach Hunden und Katzen – um uns dann stolz seinen deutschen Wortschatz, die Zahlen eins bis zehn, Mittagessen und zwei Kinderreime, vorzuführen. Beim ‚Beamten für Zusammenrechnung der Gebüren‘ bekommen wir die Rechnung präsentiert. Die verschlägt uns die Sprache – eigentlich hatten wir 70$ pro Auto erwartet. Allerdings überrascht er uns auch, in dem er uns Zigaretten anbietet. Dabei ist Rauchen in der Öffentlichkeit in diesem Polizeistaat streng verboten. Rauchend teilt er uns mit, dass wir 256$ für die Einreise zahlen müssen. Großes Problem, wir haben nur noch 160$. Die herbeigerufene Frau von der Bank, die uns zum Start der Prozedur schon je 10$ ‚keine-Ahnung-Wofür‘-Gebühr abgeknöpft hat, macht ein furchtbar erschrockenes Gesicht. Dabei hatte ich ihr schon erzählt, wie viele $ wir haben. Wir verhandeln – haben aber keinen Erfolg. Sie nimmt mich an die Hand und erzählt mir draußen, hinter einer Mauer, dass sie mich ohne Stempel zurück in das iranische Grenzgebäude bringen könne, wo es Dollar zu tauschen gäbe. Darf nur der Polizeichef nicht sehen. Hier bekomme ich zum ersten Mal kalte Füße. Dann der rettende Einfall: Eine Reisegruppe steht in der Grenzkontrolle – vielleicht kann ich da Euro in Dollar tauschen. Und tatsächlich klappt das – oha, Glück gehabt. Wir fühlen uns zwar ungeheuer abgzogen, zahlen aber brav die geforderte Summe. Jetzt sind auch alle richtig freundlich. Bei der letzten Stempel-/Kontroll-Station wird, erstmals auf der Reise, unser gesamtes Gepäck kontrolliert – und wir bekommen als Krönung noch einen GPS-Peilsender in unsere Autos. Junge, junge, die wollen es wirklich wissen.

Dann sind wir entlassen und dürfen tatsächlich einreisen. Sowjetistan, die ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken, stehen uns nun tatsächlich offen. Die Hauptstadt Ashgabat, eine Retortenstadt voller Pomp und Protz, durchfahren wir nur kurz, um lokale Währung zu besorgen. Schließlich wollen wir noch nach Derweze – dem Tor zur Hölle. Auf dem Weg dorthin müssen wir durch die Wüste. In endloser Länge zieht sich die schnurgerade Straße, die besser ist als erwartet, bis zum Horizont. Nur wenige Autos sind hier unterwegs und wir sehen die ersten Kamele. Nein, Dromedare.
In einem kleinen Nest mitten im Nichts, in einem unscheinbaren Laden, kaufen wir noch Proviant: Bier, Vodka und frisch zubereitete gefüllte Teigtaschen. Grillwurst gibt es leider nicht. Die Frauen des Dorfes, die in bunte Kleider gehüllt, gerade mit Backen und Kochen beschäftigt sind, wollen sich erst nicht fotografieren lassen. Mit dem Bilderrahmen klappt es dann doch noch.

Aus dem Radio schallt passend ‚The Dark Side‘, als wir im Sonnenuntergang Derweze erreichen. Hier, ‚in the middle of nowhere‘, liegt ein offener Gaskrater, ‚door to hell‘, der seit Jahrzehnten, seit 1971, brennt. Schon von weitem sehen wir den roten Lichtschein im schwindenden Licht. Wir sind nicht allein, Jurten und Zeltcamps zeugen von der Attraktivität dieses Ortes. Der Krater ist in der Tat spektakulär: In dem kreisrundes Schlund von vielleicht 70 Metern Durchmesser lodern hunderte kleinerer und größerer Feuer, die vom nachströmenden Gas gespiesen werden. Stickige Schwaden der Abluft werden vom Wind in die umgebende Wüste getragen. Gebannt schauen wir diesem wundersamen Schauspiel eine Weile zu. Umgeben von der Wüste bauen wir unser kleines Zeltlager etwas Abseits im Windschatten der Fahrzeuge auf, denn der böige Wind wirbelt Sand und Staub durch die Gegend.
Seit gestern Abend gab es nichts mehr zu Essen. Umso größer ist der Appetit, als Carsten die Nachmittags erstandenen Piroggen, Brot und Wurst auspackt. Dazu gibt es leckeres Pivo aus großen Plastikkannen und – standesgemäß – eine Flasche Vodka. Es badarf einiger Überredung, um auch Carsten die Vorzüge des Kartoffelschnapses näher zu bringen. 🙂
Nachts treffen wir dann noch die Plötzhansel und ‚brothes on tour‘, zwei Teams die genau wie wir die spektakuläre Südroute der Rally fahren und den Abstecher hierher nach Derweze für unumgänglich halten.

Wir sabbeln noch bis spät in die Nacht, bevor wir in den mittlerweile umfänglich verstaubten Zelten zur Ruhe kommen.

Bonnie&Clyde: Im Motorraum von Bonnie quietsch es – egal, sagt Carsten
Stimmung im Team: Angespannt an der Grenze zu Turkmenistan, Freude auf Derweze
Kilometer: 410
Wetter: Sonnig, gar nicht mal zu heiß in der Wüste, aber Staub, Staub, Staub

Tag 11 – Von Balbosar nach Quchan

(Blog verspätet – in Turkmenistan ist Internet kaum verfügbar)

Zusammengefasst: Morgens cool, tagsüber Strecke abreissen und abends wieder cool.

Doch zunächst noch eine Korrektur zum gestrigen Abend. Als letzte Nacht der Blog geschrieben war, das war so gegen eins oder halb zwei, kamen noch zwei Freunde von Kivan, unserem Gastgeber. Schnell kam das Gespräch mit dem leidlich Englisch sprechenden Päärchen in Gang, obwohl wir doch eigentlich in die Falle mussten. Nur Carsten schlief schon. Und völlig unerwartet stand pötzlich eine Plastikflasche auf dem Tisch, deren Inhalt wir so gar nicht erwartet hätten. Türkischer Kartoffelschnaps von guter Qualität. Unsere neuen persischen Freunde erzählten uns, dass es mehr oder weniger normal sei und sehr viele Iraner hinter verschlossener Tür einem guten Tropfen nicht abgeneigt seien. So trinken, lachen und erzählen wir bis kurz nach drei Uhr morgens. Der letzte Funken Vernunft treibt uns dann in den Schlafsack.

Der Morgen beginnt um viertelvorsieben (!) mit einem herrlichen Bad im wohl 27 Grad warmen Kaspischen Meer. Niemand außer uns ist am langen braunen Sandstrand zu sehen. Leider ist Bewölkung aufgezogen, so dass der ultimative Kick – Sonnenaufgang beim Schwimmen – leider entfällt. Trotzdem ein außergewöhnlich schönes Erlebnis. Frisch gebadet gibt es anständiges Bundeswehrfrühstück (EPA) mit lecker löslichem Jacobs-Kaffee vom ‚Sponsor‘ JDE.
Wir verabschieden uns von Kivan und seinen Nachbarn, die mittlerweile auch um uns herumstehen. Vor der Weiterfahrt cruisen wir mit den Autos noch einen Moment direkt an der Wasserlinie am Strand und fangen dies Szene mit ein paar herrlichen Fotos ein.
Dann schlagen wir den Weg nach Nordosten ein, Richtung turkmenischer Grenze. Die Strecke geht durch eine abwechslungsreiche Landschaft im Nordosten des Iran. Öde Steppe, grüner Mischwald, weitläufige Äcker, schroffe Berge – in loser Folge ändert sich das Bild. Aber ein Problem gibt es hier durchgehend: Müll. Die Iraner scheinen sich nicht daran zu stören und werfen ihren Abfall überall in der Gegend herum. Besonders krass ist das in einem Naturreservat zu sehen, in dem Wildschweine und Bären leben. Hunderte Familien picknicken im lichten Laubwald. Und sie sitzen mitten im Plastikmüll. Unfassbar für den Mitteleuropäer.
Vom USB-Stick läuft ‚Hit The Road, Jack‘ im Dancefloor-Remix in voller Lautstärke als wir am späten Nachmittag früher als erwartet Bodschnurd erreichen. Wir machen eine kurze Pause, die Autos brauchen Öl. Wie sich herausstellt, ist uns auf den letzten hundert Metern ein Moped gefolgt. Der darauf sitzende Iraner spricht uns in exzellentem Englisch an und lädt uns in seinen ‚Workshop‘, seine Werkstatt ein. Im Keller eines Geschäftshauses betreibt Mohsen, so heißt unser neuer Freund, gleich mehrere Gewerbe: Ein Reisebüro, eine Seilzug- und Wagenheberreparatur und, mit seinem selbstgebauten Kettenzug, auch einen Kranverleih. Und er ist extrem Rallye-interessiert. An seinem Kühlschrank – im Vorzimmer zur Werkstatt – prangen Aufkleber und Erinnerung an vorangegangene Begegnungen mit Rallye-Touristen, die den Iran durchquerten. Natürlich kennt er die Tajik Rally und auch die Mongol Rally, deren Troß vor vier Wochen hier durchgekommen ist. Lustig ist auch, dass er Hussein, unseren iranischen ‚Schleuser‘ kennt. Mit ihm und einige anderen betriebt er das digitale Netzwerk ‚Overland in Iran‘. Wie klein ist die Welt.
Wir trinken Tee und berichten uns gegenseitig von Abenteuern und Begegnungen mit interessanten Menschen.
Schweren Herzens verabschieden wir uns Richtung Quchan. Vorher kleben wir noch Aufkleber vom Team Südheide an seine Haustür und seinen alten Kühlschrank und versprechen, Werbung für die Facebook-Seite ‚Overland in Iran‘ zu machen.
Gegen 21.00 Uhr endet unsere Tagesetappe im grenznahen Quchan. Ausgiebiges Duschen wäre nett, uns so soll es heute wieder ein Dach über dem Kopf geben. Das erste Hotel am Platz ist unseres. Spartanisches Vierbettzimmer mit Gemeinschaftsdusche auf dem Flur, mit ‚ohne Frühstück‘ aber kostenfreies Parken im dunklen Hinterhof. Egal, für umgerechnet 15€ ‚all in‘ kann man nichts verkehrt machen und die hier heiß begehrten Dollars werden langsam knapp.
Die Registrierung am schmalen Rezeptionstisch beschäftigt gleich drei Iraner und dauert eine halbe Ewigkeit. Endweder sind sie Touristen nicht gewohnt oder der Abgleich der Daten mit dem Geheimdienst dauert so lang. So sind wir erst gegen 22:15 Uhr ausgehfertig und wollen noch zu Abend essen. Nach langem Fußmarsch werden wir in einer winzigen Bodega fündig. Business as usual – es gibt am Spieß gebratenes Fleisch. Auch hier in der Start werden wir nahezu an jeder Ecke mit einem freundlichen ‚Salam‘ begrüßt.
Heute heißt es ausnahmsweise schon um kurz vor Mitternacht ‚gute Nacht, John-Boy‘.

Bonnie&Clyde: Immer noch ohne Klimaanlage
Stimmung im Team: Baden im Kaspischen Meer – mehr geht nicht
Kilometer: 680
Wetter: Sonnig&warm,und das ohne Klimaanlage…

Tag 10: Vom Stoppelfeld über Teheran an’s Kaspische Meer

Wenn mir jemand vor der Reise gesagt hätte, dass ich im Iran den Sonnenaufgang auf einem Stoppelacker erlebe…
Wir erwachen um kurz vor sieben, weil der erste Verkehr einsetzt. Die ersten Bauern fahren auf die Felder. Neben uns werden Kohl, Tomaten und Weintrauben angebaut. Der erste Blick aus dem Zelt, die Sonne geht gerade hinter den Hügeln auf. Die Welt um uns wird in ein erstes zartes Licht getaucht.
Während wird auf der Motorhaube das Frühstück bereiten, es gibt lecker Körnerbrot, Butter und Marmelade aus Bundeswehrbeständen, kommen die ersten Schaulustigen auf Mopeds vorbei. Carsten, der gerade Kaffee auf dem Feldweg kocht, bekommt Tomaten in die Hand gedrückt. Es ist wunderbar, wie freundlich uns die Iraner begrüßen, egal wo wir sind. Wir revanchieren uns mit einem nagelneuen Lederball und schießen das obligatorische Foto mit dem Bilderrahmen. Gelebte deutsch-iranische Freundschaft.
Zum Start unserer Tagestour cruisen wir über kleine Strassen durch die umliegenden Felder und Dörfer. Die Iraner scheinen fleissige Menschen zu sein. Schon früh am Morgen sind die Felder voller Menschen die die üppig wachsenden Feldfrüchte ernten. Bohnen, Tomaten, Pfirsiche, Gurken, und allerlei weitere Dinge hier in der weiten Ebene angebaut. Dann geht es auf die Autobahn Richtung Teheran. An einer Tanke suchen wir vergeblich nach ‚Free WIFI‘. Statt dessen bekommen wir – wie so oft auch hier geschenkt – vier Pfirsich-Biere. Und den Internet-Zugang gibt es dann doch: Einer der Tankwarte öffnet sein Handy als HotSpot für uns. Einfach große Klasse diese Menschen.
Wir erreichen Teheran gegen Mittag und umrunden zunächst das riesengroße Wahrzeichen der Stadt, den Milad-Tower. Wir machen Sightseeing aus dem Auto heraus, der Markt in der Altstadt ist das Gewirr an Einbahnstrassen kaum zu finden. Ok, dann erstmal Mittagessen. Wir suchen uns eine Häuserzeile aus, die mehrere Grillrestaurants beherbergt. Gleich der erste Laden ist unserer. Sofort sind wir von zwei, drei Kellnern umringt. Einer zeigt uns, wie das Brot gebacken wird und fertig gleich mal eines in Herzform für uns. Wir lassen uns auf dem obligatorischen Podest nieder. Nach der Tee-Zeremonie gibt es drei verschiedene Sorten gegrillte Fleischspieße, dazu Salat und Brot, in die die Zutaten eingewickelt werden. Wieder ist die Mahlzeit nicht nur üppig sondern auch unglaublich lecker.
Ein Wort zum Thema ‚Verschleierung‘. Wir haben auf der Strasse ein paar Frauen im langen schwarzem Tschador gesehen. Die meisten, die wir treffen, tragen jedoch nur ein Kopftuch, das in der Regel kunstvoll das Haar verhüllt. Hier im Restaurant sehen wir viele, hübsche junge Frauen, die einen sehr selbstbewußten und aufgeschlossenen Eindruck machen. Der strenge Gottesstaat, der der Iran wohl ist, muß woanders sein. Um uns herum zeigt das Land sich jedenfalls von seiner aus unserer Sicht besten Seite.
Nach dem Essen wollen wir mit dem Auto Richtung Altstadt. Ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen. Ein Fiasko aus Einbahnstrassen hält uns fest umklammert und es gibt kaum ein Entrinnen. Immer und immer wieder führt der Weg nicht an das gewünscht Ziel. Als wir endlich ankommen, sind die Strassen sooo voll, das wir nicht den Hauch einer Chance auf einen Parkplatz haben. Fast wären wir in ein Parkhaus gefahren – aber nur fast. Denn unsere Aufbauten sind so hoch, dass wir die Autos nicht hineinbekommen. Kehrtmarsch. Wir entschließen uns, nun doch lieber an’s Kaspische Meer zu fahren. Muss man mal gesehen haben. Und mit etwas Glück können wir vielleicht am Strand schlafen.
Wir nehmen die Strecke durch die Berge, wo die Gipfel bis über 5.600 Meter hoch in den Himmel reichen. In dieser wieder einmal imposanten Berglandschaft sehen wir plötzlich mehrere Ski-Lifte! Wow, hier ist also das erste Skigebiet unserer Reise. Genau dafür führen wir ja unsere Bretter am Dachgepäckträger mit. Leider liegt die Temperatur hier oben auch noch bei annähernd 30 Grad – Carving also noch Fehlanzeige. Wir haben uns die hohen Temperaturen nach dem Drama mit dem Tiefdruck-Gebiet der ersten Woche ja gewünscht. Nur können wir sie in diesem Ausmaß jetzt nicht genießen: Bei Bonnie ist heute die Klimaanlage ausgefallen. Es wird langsam dunkel und plötzlic stehen wir mitten in den Bergen im Stau. Ene Baustelle verengt die Piste von drei auf eine Fahrbahn. Es ist so staubig, dass wir die Fenster kaum öffnen können und Bonnies Lüftung bläst heiß wie ein Fön. Männerschweiß.
Am Abend erreichen wir die Küstenstadt Balbosar, deren Strassen voller Menschen sind. Wir parken die Autos am Strassenrand und suchen nach einer Bodega, möglichst mit WLAN. Zufällig landen wir auf einem schönen Basar in den Hinterhöfen, auf dem noch spät abends reger Betrieb herrscht. Nebenan finden wir die Grillbodega, in der wieder leckere Fleischspieße serviert werden. Den Internetzugang bekommen wir freundlicherweise wieder einmal über das Handy eines Angestellten. Wir checken kurz die Whatsapp-Gruppe der Rallye und laden eine lokale Karte der Gegend herunter. Scheinbar gibt es einen Strand in der Nähe, zu dem wir uns mit den Autos aufmachen. Eine weitere Nacht im Zelt rückt näher. Nach kurzer Fahrt erreichen wir so tatsächlich den sandigen Strand des Kaspischen Meeres.
Wir sehen eine beleuchtete Bude und treffen dort zwei Männer. Mit der gewohnten ‚mit Händen und Füßen‘ Kommunikation erfahren wir, dass wir bei ihnen an der Hütte zelten dürfen. Besser geht es nicht.
Wir kommen mit den Jungs in’s Gespräch und bekommen – natürlich – sofort Tee serviert. Wir spendieren die Weintrauben, die wir am Vorabend bekommen haben. Und so sitzen wir mit den Beiden und zwei, drei weiteren auftauchenden Iranern bis spät in der Nacht auf den Teppich-belegten Podesten ihrer Bude. Wir verstehen wenig von dem, was der andere spricht und verstehen uns doch prächtig.
Erst kurz vor 2:00 Uhr sind wir in der Falle und lassen uns von den seicht rauschenden Wellen des Kapischen Meeres in den Schlaf schaukeln.

Bonnie&Clyde: Klimaanlage bei Bonnie ausgefallen
Stimmung im Team: Verliebt in die freundlichen Iraner
Kilometer: 650
Wetter: Sonnig, brüllwarm, nachts Wolken

Tag 9 – Grenzübertritt in den Iran und weiter nach Täbris

Der Tag beginnt früh, vor uns liegt die Einreise in den Iran und die soll recht zeitaufwändig sein. Schon vor halb sieben ist Carsten aus den Federn, an allzuviel Schlaf war nicht zu denken. Die schwülwarme Luft in unserem sechs Quadratmeter großen Domizil ließ sich auch durch ein weit geöffnetes Fenster nicht vertreiben. Zum Glück half der Konsum der letzten Rotwein-Reserven beim Einschlafen.
Die Morgentoilette erfolgt im kleinen Gemeinschaftsbad und in der recht ordentlichen Dusche, die im Waschhaus auf der anderen Seite des Hofes versteckt ist. Carsten, als erster unter der Brause, findet den Lichstschalter nicht. Gut für die Herbergsmutter, die hilfsbereit aus dem Nichst erscheint und für Erleuchtung sorgt. Ich denke, dass die alte Dame deshalb erscheint, weil sie den schwach bekleideten Europäer gern einer optischen Prüfung unterziehen will.
Ohne Frühstück geht es dann gegen halb acht mit knurrendem Magen gen Grenze. Die Ausreise aus Armenien funktioniert schnell und reibungsfrei. Erstaunlich ist, dass wir scheinbar von russischen Grenzbeamten kontrolliert werden – hier im Süden von Armenien. Der letzte Soldat vor der Grenze hält Cord noch einmal an. Es dauert ein wenig, weil der Russe sich kaum auf den Beinen halten kann. Ungefähr so, wie Hans Jürgen in Rumänien. 😀

Kurz vor der Reise hatten wir unsere Streckenpläne noch einmal umgeworfen. Statt über Aserbaidschan reisen wir nun über Armenien ein. Das liegt daran, das hier auf der anderen Seite ein Agent von Hussein auf uns wartet. Über ihn sollen wir an die notwendigen Reisepapiere für unsere Autos kommen. ‚Carnet de Passage‘ nennt sich das nämliche Papier, das wir benötigen. Das ist eine Art Kautionshinterlegung, die sicherstellen soll, dass wir unsere Autos auf jeden Fall auch wieder ausführen.
Diese Papiere sind grundsätzlich auch beim ADAC in Deutschland zu erhalten. Ist nur teurer. Und es ist ‚much more rally-like‘, den Prozess hier mit Husseins Agent zu machen, den wir nicht kennen und der kein Englisch spricht.
Wir treffen zunächst auf einen ausgesprochen freundlichen iranischen Grenzer, der uns in seinem schönen Land Willkommen heißt. Nachdem wir in einer hinterliegenden Halle einen ersten Stempel in Pass und Visum bekommen haben können wir den ersten Schlagbaum passieren und zur Zolldeklaration vorfahren. Es ist unklar, was nun als nächstes passieren soll – also warten wir vor dem leeren Büro.
Es dauert eine Weile, bis eine der Gestalten, die gelangweilt hinter dem staubigen Gebäude scheinbar ziellos umherschlendern, uns anspricht. ‚Wie lange seid ihr hier‘, ‚woher kommt ihr‘, ‚was macht ihr‘ fragt der junge Mann in umständlichem Englisch. Scheinbar habe ich die richgtigen Codeworte verwendet, denn er bedeutet mir, dass er uns den Agenten von Hussein herbeiholen würde. Wir dürften aber auf keinen Fall jemand anderem unsere Papiere geben. Ganz wichtig!
Ohne hier alle Einzelheiten zu erläutern beginnt nun eine fünfstündige Prozedur, die im Wesentlichen aus Warten besteht. Wir werden vom nun erscheinenden Agenten an einen anderen ‚wichtigen‘ Menschen weitergereicht. Der wiederum übergibt uns später einem wichtig aussehenden Versicherungsvertreter. Papiere werden geholt, ausgefüllt, weggebracht, wieder hergetragen und in Schubladen abgelegt. Dann wieder schier unendliches Warten. Der junge Kontaktmann betritt zwischendurch auch wieder, wie alle hier mit dem Handy am Ohr, die Bühne. Er verrät mir erstaunlicherweise den WLAN-Code und ich kann mich beschäftigen. Carsten bringt zwischendurch Kaffee, Josch kauft kandierte Feigen und schokogefüllte Teighörnchen. Ich finde Mettbrötchen wären jetzt schön.
Der letzte Schritt ist dann die Übergabe der schon vorher verabredeten Gebühr an den Agenten von Hussein. Hinten auf dem Parkplatz im Auto. Ohne Quittung versteht sich. Es beginnt ein Feilschen und Handeln, denn wir wollen nicht die volle Summe, die schmerzhaft genug hoch ist, in Dollar zahlen. Lieber ein Teil in iranischem Geld, das wir vorher bündelweise getauscht haben. Bei dem Hin- und Hergetausche sind wir dann doch irgendwo ein wenig abgezockt worden. Jedenfalls fühlt sich das beim Nachzählen der Urlaubskasse so an.

Gegen 13:00 Uhr ist es dann tatsächlich geschafft, wir bekommen je zwei Dokumente ausgehändigt – und dürfen die Grenze passieren.
Was für ein grandioses Hochgefühl, von dem wir vier gleichermaßen erfasst werden: Tatsächlich Iran! Der erste wirklich dicke Meilenstein der Reise ist erreicht. Mir kommt mein erster Grenzübertritt nach Ostberlin in den Sinn: ‚You are leaving the ‚American Sector‘ – so ähnlich fühlt sich das jetzt an. Nur das die Grenze und die Grenzer hier nicht so furchtbar grimmig ausschauen.
Wir fahren direkt weiter, gelbe Strasse in die vor uns liegende, unwirtlich ausschauende Bergwelt hinein. Das Trinkwasser im Auto hat Betriebstemeratur erreicht, es ist mittlerweile richtig heiß geworden. Ätsch, blödes Tiefdruckgebiet.
Die nächsten zweieinhalb Stunden werden wir für die Warterei an der Grenze mehr als belohnt. Unsere Strecke führt durch eine atemberaubend schöne, zum Teil schroffe, zum Teil weit auslandende Gebirgslandschaft. Weil die Tanknadel auf Reserve zappelt suchen wir über die heruntergeladenen Karte von GoogleMaps eine Treibstoffstation. Volltanken für 12e, das Autofahrerherz schlägt Purzelbaum. Hinter der nächsten Bergkuppe wird das Land fruchtbarer. Hier oben, auf den bis zu 2.500m hoch liegenden, serpentinenschwangeren Passhöhen, prägen Ziegenherden das Bild. Etwas weiter unten beginnt der Ackerbau, wir sehen die ersten frisch abgeernteten Getreidefelder in der flirrenden Hitze des Nachmittags. Mit der grandiosen Landschaft im Hintergrund kommen die nächsten prächtigen Fotos der Autos in den Serpentinen zustande. Ich sehe mich schon die Fototapete bestellen.

Weiter Richtung Täbris muß eine Pause her – heute gab es noch nichts zu Essen. In einer kleinen Bodega, ‚Traktor Club‘ mit Namen, kommen wir auf einem erhöhten Podest zur Ruhe. Barfuß im Schneidersitz – wir machen es den wenigen anwesenden Einheimischn nach. Wir starten mit einer obligatorischen Chai und bestellen mit Händen und Füßen Omlett. Mehr gibt die Karte heute nicht her, erklärt uns der junge Schankwirt auf Farsi. Als dann Omlett mit Brot und Gurken serviert wird, sind wir angenehm überrascht. Es schmeckt wieder einmal vorzüglich und ist unfassbar günstig.

Der Plan für den Rest des Tages: Noch ein ordentliches Stück Strecke Richtung Teheran machen, das auf drei Tage begrenzte Visum für Turkmenistan setzt uns zeitlich unter Druck. Wir kommen auf die Autobahn und erleben die nächste Überraschung. Der Kassierer an der Mautstation fragt wo wir herkommen – und winkt uns dann ohne Bezahlung durch. Und nicht nur das passiert uns mehrfach. Wo wir auftauchen begegnen uns die Menschen aufgeschlossen und unglaublich freundlich, ja geradezu zuvorkommend. Iran und Team Südheide – der erste Funke der Verliebtheit ist schon übergesprungen.

Wir fahren bis knapp Mitternacht weiter, bis in die Nähe der Stadt Takestan. Dort suchen wir in den staubigen Nebenstrassen Qartier. Heute steht ‚Platte machen‘ auf dem Programm: Unweit von ein drei einheimischen Jugendlichen, die direkt an der Strasse zelten, schlagen wir unser Nachtlager auf einem Stoppelfeld auf. Die Wurfzelte stehen kaum, als uns schon die ersten Schaulustigen umringen. Nicht nur die Jungs von nebenan, sondern auch Modepfahrer, die hier nachts noch auf den Feldwegen unterwegs sind. Wir bekommen Weintrauben geschenkt und müssen schon fast unfreundlich werden, damit wir in die Penntüten kommen.
Carsten hat Schnupfen und Kratzen im Hals, so dass der Apotheker (Christoph) noch ein paar Mittelchen an ihm ausprobiert.
Irgendwann vor 01:00 Uhr ist dann ‚Licht aus‘ unter einem sternenklaren Himmelszelt

Bonnie&Clyde: …haben noch nie so günstig getankt
Stimmung im Team: Euphorie – der Länderpunkt für Iran ist da
Kilometer: 580
Wetter: Sonnig, schön warm, dann sternenklar