So, heute ist es nun soweit, Einfahrt in den Pamir, das ultimative Strecken-Highlight der Rally.
Morgens in Osh gibt es bei unserem Herbergsvater Asman ein angeblich ‚asiatisches‘ Frühstück. Was immer er darunter versteht – er tischt schottischen Porridge auf, dazu ein wenig Brot mit Marmelade und löslichen Kaffee dazu Pulvermilch…
Die erste Teiletappe des Tages führt von Osh, dieser pulsierenden Metropole im Süden Kirgisistans, in Richtung der bergigen Grenzregion, wo wir in den Pamir einfahren wollen. Wir peilen Sarytasch an, die letzte größere Siedlung vor der – für uns letzten – Grenzstation. Hinter Osh geht es gleich mal wieder hinauf auf 2.800m Höhe. Auch hier bietet sich hinter jeder Kurve, hinter jeder Bergkuppe ein neuer Blick auf die fazinierende Landschaft. Heute ist Sonntag und da ist wohl Viehtrieb. Jedenfalls kommen wir an unzähligen kleineren und größeren Viehherden vorbei, die gern die gut ausgebaute Strasse in voller Breite nutzen. Das verlangsamt zwar unsere Fahrt, ist aber wunderschön anzusehen.
Hinter der nächsten Kurve wartet die erste größere Prüfung des Tages. Hier geht es einen gut befahrbaren Pass hinauf bis auf 4.230 Meter Meereshöhe. Alter Finne, da beginnt man ganz schön zu pumpen. Eine solche Höhe ist keiner von uns gewohnt und schon durch das Schießen des Fotos auf der Passhöhe bin ich aus der Puste. Und später am Tag soll es am Eingang des Pamir noch höher gehen.
Irgendwie haben wir heute morgen wieder etwas vergessen. Die Tanks sind zwar voll, aber vor lauter Reisefieber haben wir wieder kein Geld gezogen, keine Verpflegung für unterwegs und kein Öl gekauft. Schön blöd. Na gut, vor uns im Tal liegt Sary Tasch, erledigen wir das eben dort. Vollpfosten – der Ort ist so öde und staubig, da gibt es gar nichts. Für ein paar Dollar kaufen wir wenigstens Wasser und Cola. Weiter geht’s, bis zur tadschikischen Grenze sind es noch 35 Kilometer. Ab jetzt ist der Strecke anzumerken, dass kaum jemand diesen abgelegenen Grenzübergang zum Pamir nutzt. Der Asphalt wird löcherig und geht bald in eine rumpelige Schotterpiste über. Wiedermal ein nahezu ewiger Schlagloch-Slalom. Am Ende des Tals – hier im Grenzgebiet wohnt niemand mehr – zieht sich die Piste die Bergflanken hoch. 20 Kilometer vor der eigentlichen Grenze liegt schon der Posten der kirgisischen Grenzer, die allesamt in dicke Winterjacken und Mützen gehüllt sind. Wir haben die Frostgrenze erreicht. Die Abfertigung ist einfach und läuft zügig. Lustig ist, dass wir pro Auto nochmal 12 Dollar Öko-Tax entrichten müssen, die eigentlich bei der Einreise fällig ist. Im Gegenzug dürfen wir – wie viele Offroader vor uns – unser Südheide-Emblem auf seinen Aktenschrank kleben und das Ganze fotografieren. Stempel in den Pass und weiter, die sich mächtig auftürmenden Berge hinauf. An der unwirtlichsten Stelle, auf über 4.100 Metern Höhe erreichen wir dann den tadschikischen Grenzposten. Was muß man verbrochen haben, um an diesem erbärmlichen Ort Dienst schieben zu müssen?! Mir schwant Böses und ich erwarte mürrische und auf Krawall gebürstete Grenzer.
Aber weit gefehlt – der Ort ist zwar ätzend, aber die Jungs hier oben sind ganz cool. Wie die Grenzer hier oben hausen ist allerdings das Heftigste, was ich bisher gesehen habe. Die ursprünglichen, steinernen Abfertigungsgebäude sind total verfallen und stehen nurmehr als Gerippe, durch die der eiskalte Wind fegt. Die Abfertigung erfolgt in einer Abfolge von Hütten und Verschlägen, in denen uralte Kohleöfen bollernd ihre Hitze verströmen und abenteurlich verkabelte Lämpchen die Szenerie in unwirkliches Licht tauchen. Die erste Station ist der Veteränär, dessen Dokument uns jeweils umgerechnet 10$ kostet. Dann erfolgen die für uns so wichtigen Dokumente für Einfuhr und Zoll der Autos: 25$ pro Karre. Da sind unsere kirgisischen Som alle und ich handeln aus, dass wir auch in Euro bezahlen können. Auch dabei macht der Grenzer einen kleinen Schnitt.
Danach kommt eine Station in einem Container, aus dem ein junger Mann herauslacht und für 9$ ein Dokument aushändigen will, dessen Bedeutung sich nicht erschließt. Nach einigem Verhandeln stehen beide Autos auf dem wichtig aussehenden Zertifiktat und wir zahlen 12$.
Zuletzt kommen noch zwei Jungs in einer brüllwarmen Holzhütte, die uns ein ulkiges Quarantäne-Dokument und die tatsächlich notwendige KFZ-Versicherung für insgesamt 30$ für beide Autos ausstellen.
Ich denke, dass ein Teil dieser Gebühren attraktivitätssteigernder Ausgleich für den Dienst in dieser so unwirtlichen Gegend ist. Für den Inhalt unserer Autos interessiert sich niemand und wir können recht schnell weiter fahren.
Wir kommen sehr gut voran, weil die Strecke hinter der Grenze Richtung Murgab erstaunlich gut ausgebaut ist, viel besser als auf der kirgisischen Seite.
Und so erreichen wir in der späten Nachmittagssonne die weite Hochebene um den See Karakul. Wir müssen anhalten, weil uns die Bilder die wir hier sehen, die unendliche Landschaft, schier den Atem rauben. In Worten ist kaum zu beschreiben, welches Spiel von Farben und Formen, von Wolken und Weite von Wind und Sonne sich hier zeigt. Besonders der in der Sonne in vielfältigen türkisen Schattierungen glitzernde See vor den schneebedeckten Fünf- und Sechstausendern belohnt jeden Kilometer Wegstrecke, den wir bisher abgerissen haben. Fassungslos steigt dem einen oder anderen ein Tränchen in’s Auge, so großartig ist dieser Blick. Es ist eine Ergriffenheit und so eine Art Gefühl von Unendlichkeit und Ewigkeit, was einen hier durch diese schier endlose Schönheit übermannt.
Ich hoffe, dass die vielen Fotos wenigstens ein Stück dieses landschaftlichen Zaubers einfangen können.
Auf der anderen Seite oberhalb des Sees durchfahren wir den trostlosen Ort Karakul, einstmals von den Russen gegründet, um die durch militärische Zwecke begründete Passtrasse zu errichten und zu pflegen. Heute kommt diese staubige Siedlung extrem trist daher. Es ist zwar wunderschön drumherum aber nicht auszumachen, wovon sich die Bewohner hier auf über 4.000 Metern Höhe ernähren. Ackerbau ist es jedenfalls nicht und wir sehen nur ganz vereinzelt ein paar Tiere in der nahezu pflanzenlosen Steppe. Auf dem Spielplatz inmitten des Ortes, über den der stetige Wind große Staubwolken treibt, spielen ein paar Kinder auf rostigen Klettergerüsten und winken unseren vorbeifahrenden bunten Autos fröhlich zu. Der unwirklich wirkende Teil dieses Zaubers.
Die Strasse bleibt annehmbar und wir beschließen, die hundert Kilometer bis Murgab noch zu versuchen. Zwischen uns und dieser 6.000-Seelen-Stadt liegt allerdings noch der heftigste Pass unserer Reise: Der Akbaytal-Pass auf unglaublichen, Respekt einflößenden 4.655 Metern. Am Fusse des Passes treffen wir auf Radfahrer, die neben der Strasse gerade ihre kleinen Zelte errichtet haben und den Pass erst morgen fahren wollen. Sie berichten, dass oben mit nur leichtem Schneefall zu rechnen ist. Also hoch da! Immer höher und höher ziehen sich die breiten Serpentienen im Fels hoch. Gut zu fahren – aber mit jedem Höhenmeter wird die Luft nicht nur sprichwörtlich dünner. Wolken ziehen um und über uns und es wird irre kalt, als wir die Passhöhe erreichen. Kein spektakulärer Blick, einfach nur Höhe. Wir fahren zügig weiter, auf der anderen Seite wieder bergab. Zu lange Zeit wollen wir in dieser extremen Höhe gar nicht verbringen. Zu anstrengend. Als die Dämmerung hereinbricht, sind wir Murgab schon recht nah. Der eigentliche Plan ist, in Murgab nur zu Abend zu Essen und weiter ausserhalb in sternenklarer Nacht zu zelten. In der vor uns liegenden Ebene ist es aber viel zu windig und Mond und Wolken lassen den erhofften Sternenhimmel nicht in gewünschter Weise in Erscheinung treten. Als wir dann den Ort erreichen, liegt das Pamir-Hotel direkt vor unserer Nase. Ein Zeichen – wir bleiben hier. Eine Gruppe Biker aus Russland erreicht mit uns die Unterkunft, der deutsch-sprechende Besitzer ist hoch erfreut. Auf den Zimmerpreis gibt es heute Rabatt, denn der Strom ist im ganzen Hotel ausgefallen. Wir nehmen zwei einfache Zimmer, mit Frühstück und es wird sogar noch ein ordentliches Abendessen mit zwei Gängen serviert: Eine extrem leckere Gemüsesuppe und Plov, Reis mit Fleisch. Dazu gibt es noch eine Rutsche tadschikisches Pivo aus eineinhalb Liter Plastikflasche. Den Vodka verkneifen wir uns, die Mannschaft ist total platt. Die Höhe schlaucht extrem. Und so sind Allemann schon um halb zehn in den Federbetten.
Bonnie&Clyde:Der Dachträger von Bonnie macht ein wenig Sorge, bei Clyde röhrt der Auspuff mächtig
Stimmung im Team: Heute pfeifen alls aus dem letzten Loch – sind aber glücklich
Kilometer: 560
Wetter: Sonnig, auf der Passhöhe leichter Schneefall und irre kalt